
Offene Ateliers locken ins Künstlerdorf Worpswede
by Markus Lippeck
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Gibt es für Kunstinteressierte Schöneres, als Kunst niedrigschwellig und nahbar kennenzulernen, die Arbeitsstätten der Künstler zu erkunden, ihnen über die Schulter gucken zu dürfen und hautnah den Entstehungsprozess von Kunstwerken miterleben zu können? Schon zum 20. Mal boten die Offenen Ateliers Worpswede diese Möglichkeit. Drei Tage lang öffneten Künstler und Kunsthandwerker ihre Atelier- und Werkstatttüren an 40 Orten in und um Worpswede herum.
Dieses Kunstformat birgt die Chance, Bekanntes besser kennenzulernen und auf dem Weg dahin die eine oder andere Entdeckung künstlerischen Schaffens machen zu können. Zudem vermittelt es ein anderes Worpswede-Erlebnis und lässt verstehen, weshalb es Künstler in diesen Ort zog und immer noch zieht. Ob flanierend, mit dem Rad, mit dem Shuttlebus, individuell oder im Rahmen einer Führung, alles davon war an diesem Kunstwochenende in Worpswede möglich.

Die richtigen Kunstenthusiasten beschränkten sich nicht auf das Zentrum Worpswedes, sondern traten auch den Weg in die Außendörfer an, etwa in dem sie das Atelier von Heinz Cymontkowski aufsuchten. 15 Minuten vom Zentrum entfernt liegt es mitten im Teufelsmoor und ist nur über eine alte Moorklinkerstraße zu erreichen.
Die Lichtqualität sei mit der vor mehr als 100 Jahren durchaus vergleichbar, erzählte der Maler einer Besucherin. Zur genaueren Betrachtung der Wolkendarstellung in einem großformatigen Ölbild bat er vor die Tür seines kleinen, alten, mitten im Wald liegenden Hauses, das mit Öfen beheizt wird und noch Einfachverglasung hat. Cymontkowski liebt den direkten Kontakt zu den Besuchern, zeigte ihnen sein Innen- und Außenatelier und transportierte Kunst.
Mit Bedacht machte sich die Bielefelderin Erda Seib auf den Weg zum Maler im Teufelsmoor. Aufgrund ihrer eigenen künstlerischen Tätigkeit interessierte sie sich besonders für Cymontkowskis grafisches und malerisches Werk. „Den Typen musst du kennenlernen“, sagte sich Seib. Sie führte in der Abgeschiedenheit des Teufelsmoors ein langes Künstlergespräch und fachsimpelte mit ihm über seine Werke. Viele der Besucher erreichten die Moorkate mit dem Shuttlebus und hielten ihren Besuch im Gästebuch fest. Genauso hätten sie sich das Worpsweder Künstlerdasein vorgestellt, schwärmten die Gäste.
Den Shuttlebus angefragt hatte auch die Bremerin Beate Stübner. Gemeinsam mit ihrer Freundin saß sie vor der Tourist-Info und wartete auf den Bus, der sie in die Galerie Schluh bringen sollte. Die beiden Bremerinnen starteten ihre Kunsttour in der Galerie Altes Rathaus, um in der Galerie im Schluh noch mehr Worpsweder Kunst und Künstler kennenzulernen. „Hier ist richtig was los“, sagte Beate Stübner über die Galerie, in der während der Offenen Ateliers zwölf Künstler unterschiedlicher Genres zu Gast waren.
Zum ersten Mal besuchten Wolfgang und Ute Wüppel die Offenen Ateliers. Gezielt machten sie sich auf die Suche nach einem Bild mit Worpswede-Motiv für ihre in Australien lebende Tochter. Sie interessierten sich weniger für die „alten Worpsweder“, als vielmehr für die junge Kunst im Künstlerdorf. Für ihr Vorhaben besichtigten sie die Ausstellung in der Galerie im Hotel Village an der Bergstraße. Während der dreitägigen Veranstaltung bespielte Danny Janke – Künstlername D@nny – mit Galerie, Atelier Hotel Village und Schluh-Galerie gleich drei Standorte. Im Atelier im Hotel arbeitete er vor Ort auf großem Format am „Werk zur Entschleunigung“ als Hommage an die Landschaft und das bäuerliche Leben in Worpswede. In seinen Werken verweist er kritisch mit recycelten Materialien auf die Verhältnisse unserer Zeit.
Bereits kurz nach Eröffnung der Offenen Ateliers waren Kunstinteressierte in sein Atelier geströmt und nutzten die Chance, sich die Werke vom Künstler erklären zu lassen. Nicht nur in seinem Atelier, auch in der Galerie im Untergeschoss und vor dem Hotel spielte der Tenorsaxofonist Carsten Berger alias Moorsax. In den ehemaligen Räumlichkeiten der Worpsweder Zeitung an der Findorffstraße 19 zeigte Tatjana Neiwert an ihrer Druckpresse die Technik von Linol- und Holzschnitt. Um experimentelle Strukturen zu bekommen, druckt sie gerne verschiedene Platten übereinander. Durch Wandmalerei in ihrer Wohnung, die mutmaßlich Bernhard Hoetger zugeschrieben wird, entwickelte die 38-Jährige, die Wandbilder, Postkarten und Objekte fertigt, eine besondere Beziehung zu Worpswede. Ihre Verbundenheit zeigt sich auch in Postkarten mit Birkenrinde als Motiv.
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